Das Gesundheitssystem durchlebt in den letzten Jahren große Veränderungen: Einführung digitaler Prozesse; Krankheiten und eine starke Patientenzunahme, die im Zusammenhang mit einer älter werdenden Gesellschaft stehen; Zunahme aggressiver Handlungen auf Seiten der Patienten und Angehöriger; steigender ökonomischer Druck [1, 2]…
Inmitten all dieser Veränderungen stehen Ärzte und Pfleger, deren alltägliche Arbeit kritisch für den Erfolg des Gesundheitssystems ist. Leider steigt der Druck auf das Behandlungspersonal durch diese Veränderungen immer weiter. Das Resultat sind zunehmende Fälle von Burn-out innerhalb des Krankenhauswesens. Burn-out, ein von der Weltgesundheitsorganisation anerkanntes Syndrom, welches sich äußert durch einen hohen Grad an emotionaler Erschöpfung, De-personalisierung sowie einer starken Zunahme von Frustration im Berufsalltag [3, 4].
Da ich in diesem Blog bereits des Öfteren auf die nicht schönzuredenden Effekte von Burn-out und Depression eingegangen bin, möchte ich an dieser Stelle die weitreichenden Folgen aufzeigen, deren Zusammenhänge und Kosten meist nicht direkt ersichtlich sind.

 

Behandlungsqualität und -sicherheit

Im Krankenhauswesen stellt sich die Frage, inwieweit die Behandlungsqualität und -Sicherheit leidet, wenn das Personal unter Krankheiten wie Burn-out oder Depression leidet. Eine Studie mit 7.100 Chirurgen hat deutlich aufgezeigt, dass Burn-Out Symptome ein Indikator dafür sind, ob schwerwiegende Behandlungsprobleme überhaupt berichtet werden [7]. Weitere Untersuchungen zeigen auf, dass Burn-out Symptome und Behandlungsfehler eine sich gegenseitig verstärkende Beziehung haben [5, 6, 8, 9, 34]. Dabei spielt es lt. einer Befragung von 4.000 Ärzten keine Rolle, ob der Behandlungsfehler tatsächlich passiert ist oder ob dieser noch verhindert werden konnte [10]. Die Wahrnehmung des Arztes bestimmt also das erlebte Leid.
Des Weiteren scheint das durchschnittliche Stress-Level des Krankenhaus Personals eine Korrelation mit der Anzahl an Klagen gegenüber Ärzten und dem Krankenhaus zu haben [11]. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine weitere Studie, die Burn-out bei Pflegekräften als Faktor für die Anzahl an behandlungsbedingten Infektionen identifiziert hat [12].

 

Patientenzufriedenheit

Weltweite Untersuchungen zeigen eine starke Korrelation zwischen der psychischen Gesundheit des Arztes und der angegebenen Patientenzufriedenheit. Letztere bestimmt weitgehend den öffentlich empfundenen Ruf einer Klinik. Es ergibt sich, dass Entscheider dieses Kriterium im Blick behalten sollten. Die folgenden bi-direktionalen Korrelationen gelten als bisher untersucht:

  • Burn-out Symptome des Arztes <> Zufriedenheit mit dem Krankenhausaufenthalt [13, 34]
  • Jobzufriedenheit des Arztes <> Generellen Patientenzufriedenheit [14]
  • Jobzufriedenheit des Arztes <> Annahme ärztlicher Empfehlungen [15]

Weitere Studien haben eine ähnliche Relation bei den Pflegekräften zwischen Jobzufriedenheit, emotionaler Erschöpfung und der Patientenzufriedenheit über mehrere Messdimensionen hinweg gezeigt [16 ,17, 18].

 

Fluktuation und Arbeitsqualität

Jeder kennt es von sich selber: Emotionale Beeinträchtigungen beeinflussen den privaten aber auch beruflichen Alltag teils erheblich. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass eine fachübergreifende Befragung von Ärzten ergeben hat, dass bei Burn-out Symptomen die Jobzufriedenheit stark sinkt und ein bis zu 200% stärkerer Drang eines Krankenhauswechsels zu messen ist [20, 21]. Gleich starke Effekte sind auch bei den Pflegekräften zu beobachten [22, 23, 24]. Bis ein Wechsel jedoch vollzogen wird schränken Betroffene ihren beruflichen Einsatz stark ein – wie es eine Langzeitstudie aufzeigt [25, 26].
Weitere Studien belegen, dass Burn-out häufig darin endet, dass die klinische Praxis ganz aufgegeben wird [19, 27, 28].

 

Kosten

Im Anbetracht der oben ausgeführten Folgen von Burn-out auf eine Personalfluktuation stellt sich die Frage, welche finanziellen Auswirkungen diese haben. Kurz: Sowohl bei Ärzten als auch Pflegekräften sind Personalwechsel mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden.
So belaufen sich die Kosten bei einem Austausch einer Pflegekraft laut zwei US-amerikanischen Studien auf das 1,2 – 1,3 fache des Durchschnittlichen Jahresgehalts [29, 30]. Die Kosten bei einem Arztwechsel sind stark abhängig vom jeweiligen Fachgebiet, können sich aber schnell auf mehr als eine Million Euro summieren [31, 32]. Dies sind lediglich die Kosten, die einem Personalwechsel direkt zuzuordnen sind. Die erwiesene Korrelation zwischen Burn-out und der Zunahme von Behandlungsfehlern, Fehltagen und einer generell abnehmenden Produktivität legen jedoch nahe, dass die verdeckten Kosten bei Weitem höher liegen, bevor der Arzt/Pfleger soweit ist, das Krankenhaus zu verlassen [5, 6, 7, 10, 33].

 

Persönliche Konsequenzen

Wie bereits in einem anderen Blog-Eintrag aufgezeigt repräsentiert Burn-out unter Ärzten und Pflegekräften ein ernstzunehmendes Leid einer Berufsgruppe, die das Leid anderer Menschen kurieren soll.
Studien, die fachübergreifend Ärzte und Pflegekräfte untersucht haben zeigen, dass Burnout in dieser Gruppe eine Wahrscheinlichkeits-Steigerung von 25% ausmacht, wenn es um Alkoholabhängigkeit geht, sowie eine bis zu 200%tige Steigerung der Suizidgefährdung bei Ärzten [35, 36]. Selbst die Nachwuchs-Ärzte sind zunehmend gefährdet und zeigen in einer Langzeitstudie, dass sie unabhängig von Symptomen im Verlauf ihres Studiums eine Neigung zu suizidalen Gedanken entwickeln [37].

 

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass nicht nur aus Sicht einer moralischen Verantwortung gegenüber des Krankenhauspersonals, welche auch gesetzlich geregelt ist, der Patientengesundheit, sondern auch ökonomischer Aspekte ein dringender Handlungsbedarf besteht, dass Krankenhauspersonal vor psychologischen Symptomen zu schützen, wie sie mit einer Depression oder einem Burn-out einhergehen [38, 39].
Wie bereits aufgezeigt bestimmt unter anderem die Wahrnehmung des Krankenhausalltages inwieweit der Arzt oder Pfleger belastet wird. Im Zen Medic Seminar ist es daher auch ein essenzieller Bestandteil, die neurophysiologischen Abläufe zu betrachten, die zu diesem Automatismus beitragen und wie diese zugunsten einer resilient wahrgenommenen Realität beeinflusst werden können.

 


 

[1] Ärzteblatt (2017) Ökonomisierung patientenbezogener Entscheidungen im Krankenhaus. https://www.aerzteblatt.de/archiv/194752/Oekonomisierung-patientenbezogener-Entscheidungen-im-Krankenhaus. Zugegriffen: 1.Dezember 2019

[2] Marburger Bund (2019) MB-Monitor 2019. www.marburger-bund.de/bundesverband/themen/marburger-bund-umfragen/mb-monitor-2017. Zugegriffen: 1.Dezember 2019

[3] Shanafelt TD, Boone S, Tan L, et al. Burnout and satisfaction with work-life balance among US physicians relative to the general US population. Arch Intern Med 2012;172:1377-85.

[4] Shanafelt TD, Hasan O, Dyrbye L, et al. Changes in burnout and satisfaction with work-life balance in physicians and the general US working population between 2011 and 2014. Mayo Clin Proc 2015;90:1600-1

[5] West CP, Huschka M, Novotny P, et al. Association of perceived medical errors with resident distress and empathy: A prospective longitudinal study. JAMA 2006;296:1071-8.

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[7] Shanafelt TD, Balch CM, Bechamps G, et al. Burnout and medical errors among American surgeons. Ann Surg 2010;251:995-1000.

[8] Ärzteblatt (2018) Burnout des Arztes kann Sicherheit der Patienten gefährden. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/97637/Burnout-des-Arztes-kann-Sicherheit-der-Patienten-gefaehrden. Zugegriffen: 1.Dezember 2019

[9] Panagioti M, Geraghty K, Johnson J, Zhou A, Panagopoulou E, Chew-Graham C, Peters D, Hodkinson A, Riley R, Esmail A. JAMA Intern Med. 2018 Oct 1;178(10):1317-1330.

[10] Waterman, Amy D., et al. “The Emotional Impact of Medical Errors on Practicing Physicians in the United States and Canada.” The Joint Commission Journal on Quality and Patient Safety, Ausg. 33, Nr. 8 (2007): 467–476.

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[13] Halbesleben JRB, Rathert C. Linking physician burnout and patient outcomes: Exploring the dyadic relationship between physicians and patients. Health Care Manage Rev 2008;33:29-39.

[14] Haas JS, Cook EF, Puopolo AL, Burstin HR, Cleary PD, Brennan TA. Is the professional satisfaction of general internists associate with patient satisfaction? J Gen Intern Med 2000;15:122-8.

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[38] Sozialgesetzbuch online (2019) § 1 SGB VII Prävention, Rehabilitation, Entschädigung. www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbvii/1.html. Zugegriffen: 01. Dezember 2019

[39] Webseite der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (2019) Psyche und Gesundheit – Wie Sie mit psychischer Belastung im Beruf umgehen können. www.bgw-online.de/DE/Arbeitssicherheit-Gesundheitsschutz/Psyche-und-Gesundheit/Psyche-und-Gesundheit_node.html. Zugegriffen: 01. Dezember 2019