Schwierige Begegnungen zwischen Behandlungspersonal und Patienten sind in den Notfallaufnahmen der Krankenhäuser mittlerweile eher die Norm als die Ausnahme. Erst in den vergangenen Jahren wurde sich dem Thema auch empirisch genähert. So war die Berliner Charité mit einer internen Untersuchung 2015 wohl Vorreiter, als diese ihr Behandlungspersonal zur Häufigkeit, Art und Umfang aggressiver Patientenbegegnungen befragte. Das Ergebnis war, dass Gewalt ein relevantes Problem aller befragten Notfallbereiche ist und sich rund 70% der Befragten nicht ausreichend auf diese Situationen vorbereitet fühlen. Ganz besonders hervorzuheben ist das Ergebnis einer weiteren Studie, welche sichtbar macht, dass Pflegekräfte und Ärzte unterschiedlich oft Opfer physischer Gewalt werden: 46% der befragten Pflegekräfte und nur 22% der Ärzte gaben an entsprechend aggressive Begegnungen erlebt zu haben [1].

Das eventuell naheliegende Argument, dass Großstädte wie Berlin unter anderem durch demographische Effekte eher für solche Probleme prädestiniert sind, wird in jüngeren und deutschlandweiten Untersuchungen widerlegt [2, 3, 4]. Hervorheben möchte ich kritische Ergebnisse wie die Tatsache, dass ca. 2.000 Befragte in 81 verschiedenen Krankenhäusern angeben zu 94,1% Opfer verbaler und zu 69,8% Opfer physischer Gewalt innerhalb eines Jahres geworden zu sein. Des Weiteren berichtet jeder Dritte der Befragten einer vergleichbaren Menge einer weiteren Studie, ein ernsthaft hohes Stress-Level durch die Ereignisse zu erleben [2, 3].

Es stellt sich die Frage wie sich diese aggressiven Verhaltensmuster bilden können. Dabei spielen drei Faktoren eine Rolle: Der Patient, das Behandlungspersonal und die gegebenen Umstände. Auf der Patientenseite sind es soziodemographische aber auch technische Entwicklungen. Generelle Erwartungshaltungen, mangelndes Verständnis für Komplexe Sachverhältnisse, Sprachbarrieren oder falsche / nichtzutreffende Informationen durch bspw. Internetrecherchen sind mitunter Ursache für ein schlussendlich aggressives Verhalten gegenüber dem Behandlungspersonal [5, 6, 7].

Auf der Seite des Behandlungspersonals sind die Ursachen beschränkt auf zeitliche Rahmenbedingungen, der individuellen, psychosozialen Belastung sowie einem Mangel an Weiterbildungsmaßnahmen zum Umgang mit schwierigen Situationen [6, 7, 8]. Die genauere Beleuchtung dieser Umstände sind u.a. Gegenstand weiterer Artikel in diesem Blog. Besonders hervorgehoben seien in diesem Kontext die zwei Artikel bzgl. dem Überbringen schlechter Nachrichten sowie das Paradoxon des heilenden aber ungesund lebenden Arztes.

Auch wenn insbesondere die Ursachenbekämpfung auf der Seite des Behandlungspersonals selber nicht vernachlässigt werden darf, möchte ich im Folgendem Möglichkeiten für einen Umgang mit aggressiven Patienten aufzeigen. Dabei beziehe ich mich auf Untersuchungen, die schwierige Patienten kategorisiert und entsprechende Handlungsempfehlungen identifiziert haben [6, 8, 9, 10]:

Abhängige Patienten

Diese Patienten sind im dem festen Glauben, sie werden mit ihrer Krankheit alleingelassen. Entsprechend beanspruchen diese die Zeit des Arztes und der Pflegekraft im besonderen Maße. Im Umgang mit diesem Typus ist es besonders wichtig ein professionelles Auftreten zu wahren, welches es Ihnen ermöglicht eine entsprechende Distanz zu kommunizieren. Beziehen Sie den Patienten aktiv in Entscheidungen ein und versichern Sie, dass er auf keinen Fall alleingelassen wird. Vermeiden Sie Verhaltensweisen, die Sie zwischen „Tür und Angel“ erscheinen lassen. Der Leitfaden bzgl. dem Überbringen schlechter Nachrichten sei an dieser Stelle erneut benannt.

Fordernde Patienten

Der oftmals aggressive und auch einschüchtern wollende Patient kämpft mit einer großen Unsicherheit. Sie sträuben sich gegen eine prozessorientierte Anamnese und Behandlung. Vermeiden Sie im Umgang mit diesen Patienten eine bewertende Haltung und gehen Sie mit hoher Empathie in eine proaktive Kommunikation. Benennen Sie, dass der Patient insbesondere die beste, medizinische Versorgung erhält und keine Aufregung von Nöten ist.

Manipulierende Patienten

Behandlungspläne, die keine Verbesserungen zeigen sind für alle Beteiligte energieraubend und manchmal auch besorgniserregend. Ob selbst verursacht oder nicht, es gibt Patienten, die einen so festen Glauben an einer nicht möglichen Behandlung ihrer Krankheit haben, dass der Arzt seine Diagnosen und Behandlungsansätze infrage zu stellen beginnt. So anstrengend es auch sein mag, schenken Sie dem Patienten ein geduldiges Ohr und teilen Sie die Enttäuschung über den Misserfolg. Anschließend überarbeiten Sie den Behandlungsplan und stellen Sie durch ein bspw. durch Nachfragen oder Zusammenfassen sicher, dass keine unrealistischen Erwartungshaltungen beim Patienten entstehen.

Schützen Sie sich während der Sitzung vor negativen Effekten durch ein aktives anwenden von Selbstmitgefühl und erlauben Sie es sich, dass Sie einen besonders herausfordernden Fall erleben.

Selbstzerstörerische Patienten

Ähnlich dem manipulierenden Patienten ist dieser Typus einer Situation ausgesetzt, in der keine Behandlungsmethodik zu greifen scheint. Im Gegensatz jedoch zur nach außen gerichteten Aggression sind selbstzerstörerische Züge in Form von Depressionen und Hoffnungslosigkeit gegenüber seinem Leid zu beobachten. Der Behandlungsplan wird teilweise auch aktiv vom Patienten selbst sabotiert. Wichtig ist, dass der Arzt für sich realistisch reflektiert, ob eine vollständige Genesung überhaupt möglich ist und beim Patienten äußere Faktoren wie Zeit, Geld oder Familiäre Ursachen für das wiederholte Nichteinhalten des Behandlungsplans erfragt. Unter Umständen sollte der Arzt eine psychologische Therapie für den Patienten arrangieren.

Zusammenfassend lässt sich schreiben, dass ein richtiger Umgang mit schwierigen Patienten stark von empathischen Verhaltensmustern abhängig ist. So ist ein aktives Zuhören, ein zeigen von Mitgefühl via (Körper)sprache und die Vermittlung des Gefühls, dass sich der Behandelnde Zeit nimmt äußerst wichtig um bei Menschen, die mit einem Leid kämpfen eine Kampf-oder-Flucht Situation vorzubeugen, welche sich in aggressivem Verhalten äußert. Da im hektischen Klinikalltag meist nur wenig Zeit bleibt für eine entsprechend bewusste Patientenbehandlung, ist es umso wichtiger, dass die Zeiträume mit Patientenkontakt entsprechend effektiv genutzt werden. Hierbei kann ein optimiertes Achtsamkeitstraining helfen. So sollte eine bessere Wahrnehmung der inneren Welt des Arztes und der Pflegekraft trainiert werden, was die Ressourcen freistellt für eine darauf aufbauende Sensibilisierung zur schnellen und vor allem bewussten Interpretation des Patientenzustandes und Typen, wie oben beschrieben. Dies erlaubt dem Behandlungspersonal eine angemessene Reaktion, um aggressive Situationen nicht nur proaktiv verhindern, sondern auch entschärfen zu können.


[1] Lindner T, Joachim R, Bieberstein S, Schiffer H, Möckel M, Searle J (2015) Aggressives und herausforderndes Verhalten gegenüber dem KlinikpersonalAggressive and provocative behaviour towards medical staff. Notfall Rettungsmed 18:195–200

[2] Schablon A, Wendeler D, Kozak A, Nienhaus A, Steinke S (2018) Prevalence and consequences of aggression and violence towards nursing and care staff in Germany—a survey. Int J Environ Res Public Health 15(6):1274

[3] Schablon A, Zeh A, Wendeler D et al (2012) Frequency and consequences of violence and aggression towards employees in the German healthcare and welfare system: a cross-sectional study. Bmj Open 2(5):e1420

[4] Vorderwulbecke F, Feistle M, Mehring M, Schneider A, Linde K (2015) Aggression and violence against primary care physicians—a nationwide questionnaire survey. Dtsch Arztebl Int 112:159–165

[5] SK Hull, K Broquet. How to manage difficult patient encounters. Fam Pract Manag. 2007;14:30–34.

[6] R Kiley. Quality of medical information on the Internet. J R Soc Med. 1998;91:369–70.

[7] WM Silberg, GD Lundberg, RA Musacchio. Assessing, controlling, and assuring the quality of medical information on the Internet: Caveant lector et viewor–Let the reader and viewer beware. JAMA. 1997;277:1244–45

[8] N Elder, R Ricer, B Tobias. How respected family physicians manage difficult patient encounters. Journal of the American Board of Family Medicine. 2006;19:553–61.

[9] LJ Hass, JP Leiser, MK Magill, ON Sanyer. Management of the Difficult Patient. American Family Physician. 2005;72:2063–68.

[10] AD Wasan, J Wootton, RN Jamison. Dealing with difficult patients in your pain practice. Regional Anesthesia and Pain Medicine. 2005;30:184–92.