Vielen Menschen fällt es nicht leicht, anderen schlechte Nachrichten auf eine Art und Weise zu überbringen, die sowohl das Befinden des Empfängers als auch des Senders ausreichend würdigt. Ärzte und Pflegekräfte haben es mit Nachrichten, die direkt die Gesundheit betreffen, oftmals noch mal um einiges schwerer. Dabei spielen meiner Beobachtung und einiger Studien nach, u.a. die folgenden Punkte eine Rolle:

  • Der Arzt/die Pflegekraft möchte sich selber vor unangenehmen Gefühlen bewahren und meidet Worte wie „Krebs“ oder „Tod“.
  • Im hektischen Klinikalltag scheint es oftmals so, als würde ein genaueres Eingehen auf die emotionale Welt des Patienten nur noch mehr Zeit kosten [1].
  • Burn-out Symptomatiken wie Depersonalisierung und Emotionale Erschöpfung führen zu einer stark sinkenden Empathie-fähigkeit [2].

Es wirkt paradox, wenn Patientengespräche eine wichtige Aufgabe im Krankenhaus sind und gleichzeitig selten der richtige Umgang mit den Patienten bekannt ist. Auch wenn ich in diesem Rahmen nur bedingt auf die einzelnen Punkte eingehen kann, möchte ich Ihnen im folgendem eine Struktur zur Gesprächsführung aufzeigen. Dieser Ablauf basiert Studienergebnissen, welche im Kontext der Onkologie entstanden sind [3]. Er ermöglicht es Ihnen, gelassener an derlei Gespräche heranzugehen und gibt damit Ihnen sowie Ihren Patienten den nötigen Halt und Sicherheit:

In 6 Schritten die Botschaft überbringen

  1. Vorbereitung
    Das Überbringen schlechter Nachrichten ist kein einfaches Unterfangen. Bereiten Sie sich darauf vor, indem Sie sich kurz vorher das Gespräch und auch mögliche Emotionen des Patienten und Ihre Reaktion darauf vorstellen.
    Achten Sie auf eine ausreichende Privatsphäre, eine entspannte Haltung (nach Möglichkeit setzen Sie sich zum Patienten), guten Augenkontakt und Fragen Sie nach, ob es erwünscht ist, dass andere Personen anwesend sind.

  2. Wahrnehmung des Patienten
    Beginnen Sie das Gespräch mit offenen Fragen an den Patienten über seinen gesundheitlichen Zustand. Dies ermöglicht Ihnen, herauszufinden, ob sich der Patient seiner Situation bereits bewusst ist oder nicht.

  3. Informationstiefe bestimmen
    Einige Patienten benötigen zur Verarbeitung der Nachricht viele Informationen, andere wiederum nur die nötigsten. Im ersten Fall können Sie sehr detailliert auf die Problematik eingehen, im zweiten sollten Sie sich überprüfen, ob Sie zu sehr in Ihre gewohnte medizinische Tiefe abdriften und bieten Sie dem Patienten an, dass wenn zu einem späteren Zeitpunkt Fragen auftauchen, Sie diese gerne beantworten.
    Fragen Sie den Patienten bspw. „Wie möchten Sie, dass ich Ihnen die Test-Ergebnisse mitteile? Möchten Sie, dass ich Ihnen die Informationen ausführlich darlege, oder lieber grob umschreibe und eher über den Behandlungsplan spreche?“

  4. Die Nachricht
    Haben Sie unbedingt den Mut vor dem Überbringen der eigentlichen Nachricht den Patienten darauf vorzubereiten, dass es sich um keine guten handeln wird. Sagen Sie Bspw. „Es Tut mir Leid Ihnen mitzuteilen, dass …“ oder „Leider habe ich schlechte Nachrichten für Sie…”.
    So abgedroschen diese Sätze auch erscheinen mögen und so gerne Sie vielleicht einfach schnell das Gespräch hinter sich gebracht haben möchten, so haben Untersuchungen gezeigt, dass diese kleine Vorbereitung stark dazu beiträgt, dass der Patient die Information besser aufnimmt und schneller verarbeitet[4,5].

  5. Reaktion des Patienten
    Die Reaktionen des Patienten können ein weites Spektrum an Emotionen umfassen. So könnte der Betroffene in Stille oder Fassungslosigkeit verfallen, anfangen zu weinen, Ihre Glaubwürdigkeit anfechten und wütend werden. (Wenn Sie Schritt 4 durchgeführt haben werden genau diese Reaktionen bei weitem milder ausfallen). Sie können hierbei in 4 Schritten vorgehen:
    1. Beobachten Sie welche Emotionen der Patient gerade durchlebt.
    2. Bewegen Sie sich näher an den Patienten heran -halten Sie unter Umständen auch die Hände!
    3. Adressieren Sie die Emotionen mit empathischen Aussagen, die es dem Betroffenen erlauben sich selber zu reflektieren. Bspw.: „Ich wünschte auch die Ergebnisse wären besser“. Sollte der Patient ambivalente Gefühle ausdrücken und/oder Sie sich unsicher in der Interpretation sein, fragen Sie den Patienten direkt, wie er sich fühlt.
    4. Halten Sie Stille aus! Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, der häufig zu kurz kommt, da auch der Arzt nur ein Mensch ist, welcher anfängt sich unwohl zu fühlen. Gleichzeitig ist es sehr wichtig dem Betroffenen Raum zu geben. Verfallen Sie auf gar keinen Fall in einen fachlichen, medizinischen Monolog.
  1. Behandlungsplan & Zusammenfassung
    Menschen, die aktiv an der weiteren Vorgehensweise partizipieren dürfen, sind bei weitem entspannter und unterstützen den Prozess eher. Sie haben also keinen „Gegner“ sondern jemanden, der Sie in Ihrem Vorhaben unterstützt.
    Wiederholen Sie erneut alles Wichtige. Damit vermeiden Sie eventuelle Missverständnisse und können das Gespräch zukunftsgerichtet abschließen

„Keine Zeit zu haben, ist keine Ausrede. Ein gutes Gespräch hängt nicht davon ab, ob es fünf Minuten dauert oder 20. Es geht einzig und allein um die Haltung des Arztes. Um seine Achtsamkeit.“.
Prof. Dr. Jalid Sehouli, Direktor der Klinik für Gynäkologie Charité Berlin[6]

Eine Aussage, die wie ich glaube, ein optimales Mindset für Sie als behandelnder Arzt sein kann. In diesem Kontext hoffe ich, dass Ihnen der oben angerissene Leitfaden eine Möglichkeit gibt, sich für diese schwierigen Gespräche besser gewappnet zu fühlen und gleichzeitig wahrzunehmen, dass Ihre Gespräche tatsächlich kürzer und effektiver werden.

Abschließend möchte Ich Ihnen mitteilen, sollten Sie Arzt oder Pflegekraft sein: Erlauben Sie sich die Realität, dass Sie auch „nur ein Mensch sind“ und solche Gespräche einfach von schwerer Natur sind.

 


[1] SM Kurtz. “Doctor-patient communication: principles and practices.” Can J Neurol Sci. 2002;29(Suppl 2):S23–29.

[2] Waterman, Amy D., et al. “The Emotional Impact of Medical Errors on Practicing Physicians in the United States and Canada.” The Joint Commission Journal on Quality and Patient Safety, Ausg. 33, Nr. 8 (2007): 467–476.

[3] WF Baile, R Buckman, R Lenzi, G Glober, EA Beale, AP Kudelka. SPIKES-A sixstep protocol for delivering bad news: Application to the patient with cancer. Oncologist. 2000;5:302–11.

[4] DW Maynard. On “realization” in everyday life: the forecasting of bad news as a social relation. Am Sociol Rev 1996; 61: 109– 131.

[5] DW Maynard. How to tell patients bad news: the strategy of “forecasting.” Cleve Clin J Med 1997; 64: 181– 182.

[6] Spiegel Online (Hrsg.): Schlechte Nachrichten überbringen. In: spiegel.de (03.05.2019). URL: https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/schlechte-nachrichten-ueberbringen-aerzte-muessen-stille-ertragen-koennen-a-1262645.html (abgerufen am: 08.05.2019).