Aus vielen Gesprächen, die ich mit im Krankenhauswesen arbeitendem Personal führen durfte, als auch mittlerweile aus den Medien geht deutlich hervor, dass es einen zunehmenden Widerspruch gibt. Ärzte wie Pflegepersonal sollen Menschen heilen. Gleichzeitig arbeiten Sie im Krankenhaus häufig unter ungesunden Bedingungen. Wie kann das sein?
Sehr lange Arbeitszeiten, hoher Druck, wenig Schlaf und ein nur schwer managebares Privatleben ist mittlerweile zum Alltag vieler Ärzte geworden [1]. Natürlich gibt es viele andere Berufe, die auch einem hohen Stresspegel ausgesetzt sind. In den wenigsten jedoch haben die Entscheidungen Einfluss auf die Gesundheit anderer Menschen oder sogar über Leben und Tod. Fehler sind ein absolutes Tabu -auch im Kollegialem Austausch. Der dadurch entstehende Stress ist nicht zu unterschätzen. So existiert in der Wirtschaftspsychologie der Begriff „primäres Risiko“, welcher Risiken beschreibt, die mit Arbeitsabläufen verbunden sind. Der Arzt muss selbst herausfinden, wie er damit umgeht.
Die Bedingungen werden leider nicht besser, sondern eher schlechter. Dies kann den fast jährlich vorgenommenen Umfragen des Marburger Bundes entnommen werden als auch den Studien, die sich mit der psychischen Gesundheit des Arztes beschäftigen. So ist bspw. zu beobachten, dass junge Ärzte ein bis zu 200% höheres Burn-out Risiko haben als ihre älteren Kollegen [2]. Der Weltärztebund geht sogar von zehn Millionen Ärzten mit Burn-out Symptomen aus [3].
Lange Arbeitszeiten mit nur wenig Möglichkeiten zur Pause und ansteigenden Fallzahlen sowie gleichzeitig stark abnehmende Bettenanzahl verschlimmert die Lage zusehends [4,5]. Dass diese Belastung sich früher oder später auch auf die Behandlungsqualität auswirkt ist nur logisch.
Auch innerhalb der Ärzteschafft gibt es zunehmend einen Generationskonflikt. So habe ich nicht selten mitbekommen, dass ältere Ärzte nur wenig Verständnis für die Beschwerden der Jüngeren haben. Es wird abgetan mit Sprüchen wie „wir haben früher auch 24Stunden Schichten gehabt.“ Das jedoch damals das Patientenaufkommen, wie oben bereits erwähnt, deutlich geringer war als heutzutage und dies zu entspannteren Abläufen führte, wird gerne übersehen. Dieses Problem zeigte sich bereits in einer Umfrage des Marburger Bundes 2013: Fast 75 Prozent der befragten Ärzte gaben an, von ihren Vorgesetzten wenig bis gar nicht unterstützt zu werden, 60 Prozent auch nicht von Kollegen [6]. Die strenge Hierarchie im Krankenhaus tut ihr übriges: Der Facharzt ist bspw. in seiner Ausbildung auf eine gute Beziehung mit seinem Chefarzt angewiesen.
Gleichzeitig beobachte ich einen deutlich positiveren Trend: Der Krankenhausleitung und Personalentwicklung wird immer mehr bewusst, dass etwas getan werden muss. Junge Ärzte sind sich, parallel zu Ihren Generations-kollegen in der normalen Wirtschaft, immer mehr ihrer eigenen Gesundheit bewusst und suchen gezielt Krankenhäuser, die die Arbeitsbedingungen im Fokus ihrer Personalentwicklung haben -Meist über ein breites Schulungsangebot und feste Regeln für die Einhaltung der Arbeitszeit.
[1] Marburger Bund (2017) MB-Monitor 2017. www.marburger-bund.de/bundesverband/themen/marburger-bund-umfragen/mb-monitor-2017. Zugegriffen: 16. Juni 2019
[2] Dyrbye, L.N., T.D. Shanafelt, C.A. Sinsky, P.F. Cipriano, J. Bhatt, A. Ommaya, C.P. West, and D. Meyers. 2017. Burnout among health care professionals: A call to explore and address this underrecognized threat to safe, high-quality care. NAM Perspectives. Discussion Paper, National Academy of Medicine, Washington, DC.
[3] Hil (2018) Weltärztebund – Warnung vor „Burnout-Pandemie“. Deutsches Ärzteblatt 115:1844
[4] Fallzahlen in deutschen Krankenhäusern in den Jahren 1998 bis 2017. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157058/umfrage/fallzahlen-in-deutschen-krankenhaeusern-seit-1998/ Zugegriffen: 15.05.2019
[5] Anzahl der Krankenhausbetten in Deutschland in den Jahren 1998 bis 2017. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157049/umfrage/anzahl-krankenhausbetten-in-deutschland-seit-1998/ Zugegriffen: 15.05.2019
[6] Marburger Bund(2013) MB-Monitor 2013. https://www.marburger-bund.de/bundesverband/themen/marburger-bund-umfragen/mb-monitor-2013 Zugegriffen: 03.05.2019